Stellt mehr Töpfe in die Parks!
Dort, wo die Wiener Donaustadt langsam ausläuft und auf der einen Straßenseite die Wellblechshoppingmeile in die Ortschaft Groß-Enzersdorf übergeht, liegt auf der anderen Straßenseite, nur wenige Häuserzeilen hinter der Hauptstrasse, das Naturschutzgebiet und der Biohof Lobau. Genau dort bin ich mit dem Capo vom Biohof Karl Mayer verabredet, mir die 30 Kilo rosa und 10 Kilo violette Erdäpfel für den "wir-haben-eine-Überraschung-für-dich" Kocheinsatz im Steirereck abzuholen. Ich komme am frühen Nachmittag, da sind für den Ab-Hof-Verkauf die Türen offen und hab mir schnell noch 2 Ikea Säcke von zu Hause mitgenommen, gut so, wie sich dann beim Einladen der 4 x 10 Kilo erdigen Erdäpfelsäcke herausstellt. Karl Mayer ist gut drauf, freut sich, dass mir die bunten Erdäpfel so gefallen, seewolfartig nimmt er gleich einen und schlägt ihn an der Kante einer Holzpalette in der Mitte auseinander. Nicht schlecht der Farbflash, denn voll violett und ich hab die erste Idee was ich draus mach, Chips. Das ist nur eine von vielen historischen Erdäpfelsorten, die er in Zusammenarbeit mit Slow Food und Arche Noah hier anbaut. Die zweite, Rubina, ist außen rosarot, innen Kartoffelgelb, eher mehlig und süßlich, Bingo, gleich die zweite Idee, daraus mach ich eine Erdäpfelsuppe für das Public Cooking rund um den Koch.Campus im Steirereck, quasi Gipfeltreffen der Top Gastronomen, kulinarischen Think Tank österreichischer Spitzenköche mit Trendforschern, Bestenliste-Testern, Presse und Wirtschaft.Mit den Erdäpfeln fahr ich also ins Steirereck direkt auf Augenhöhe mit Heinz Reitbauer. Ohne der Hilfe von Elfi und Peter hätte ich das nie geschafft, in 4 Stunden die 30 kg rosaroten Erdäpfel zu waschen, schälen und zu schneiden, geschweige denn, die 10 Kilo Violetten mit der Schneidemaschine in dünne Scheiben zu schneiden und zu Chips zu frittieren. In einer Badewanne von Topf schwitze ich die gehackte Zwiebel an, gieße sie mit Wasser (besser natürlich Gemüsesuppe) auf und koche die Erdäpfelstücke ca. 20 min mürb. Irgendwie fühl ich mich wie der Küchencrasher, um mich herum hoch konzentrierte Kochfeinarbeit von eingespielten, grobgeschätzen 30 Profi-Köchinnen und Köchen im Souterrain der Arbeitsküche vom Steirereck. Ich hier die einzige Verbindung zur darüberliegenden Koch.Campus Veranstaltung in der noblen Herzeigküche, in die die Profiköche mit ihrem Material direkt angereist sind. Mit einem Stabmixer groß wie ein Presslufthammer püriere ich im suppenvollen Edelstahlbassin, fülle sie mit Elfi und Peter in 2 große Töpfe ab und tragen sie vorbei an allen Spitzenköche, die ihre schönen Speisen gerade rund um die Diskussionsrunde "die Zukunft der Österreichischen Kulinarik" anrichten. Draußen vor der Tür kein Sekt, kein Porzellan, keine Presse, hier die Schulklassen mit ihren Lehrern, Jogger, Parkbesucher, Touristen, Mütter mit Kinderwägen, verschwitze Jungs vom Fussballkäfig nebenan, neugierig und interessiert und froh über die Kostproben. Die lila Erdäpfel noch nie gesehen. Schließlich in den Koch.Campus Pausen auch alle großen Köche, die sich vor der Suppenküche um meine Erdäpfelsuppe anstellen. Das Topping von violetten Chips, frischem Majoran aus meinem Garten und frittierten Wurzeln der Jungzwiebeln passt gut, da wird auch gerne ein Schöpfer nachgenommen. Alle sind sehr an den bunten Erdäpfeln interessiert, jeder kann welche mitnehmen, wenn er mag. Am Schluss sind alle weg. Nach ungefähr 120 ausgegebenen Erdäpfelsuppen ist meine Mission erledigt, alles wird wieder abgebaut, die Töpfe mit der Elfi zurück in die Arbeitsküche getragen und beim Verabschieden bin ich schon Teil der Koch.Campus Familie, schön, hab ich wirklich gern gemacht. Danke an Elfi und Peter und allen anderen sehr freundlichen Menschen in dieser Superküche, die dort wie in ihrer Westentasche agieren!
Jedenfalls hat die kleine Suppenküche vor dem Steirereck im Wiener Stadtpark, wie ich finde schon eine Antwort auf die Frage, wie es mit der "Zukunft der Kulinarik" bestellt ist, parat: stellt einfach mehr Töpfe in die Parks und auf die Strassen!Rezept zur Suppe ganz unten. Danke Sarah Krobath für die Fotos!
- Erdäpfelsuppe für 4-6 Personen, wie ich sie zu Hause mache:
- 1 Zwiebel
- 2 EL Olivenöl
- 3 Jungzwiebel, die Wurzeln abtrennen und frittieren
- 1/2 kg Erdäpfel festkochend
- 1 Knoblauchzehe
- 2 Karotten
- 1 l Gemüsesuppe
- ein 1/2 TL gestossene Kümmel und Fenchelsamen
- frischer Majoran